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Sintflut aus Benzin

21 Dezember, 2006

Deutsche Automanager wollen den Diesel-Pkw weltweit durchsetzen - doch schon der Boom in Europa st?rt das Gleichgewicht der Raffinerietechnik.


Die Strecke war 13.600 Kilometer lang; sie f?hrte durch Orte namens Almaty und ?r?mqi in mythenschwerer Mission. Vor 99 Jahren hatten erstmals betuchte Abenteurer einen Autokonvoi von Peking nach Paris gesteuert. Getankt wurde in Apotheken.


Der Konzern DaimlerChrysler lud k?rzlich reiselustige Autotester zu einer Gedenktour auf der historischen Route, diesmal in umgekehrter Richtung. S?mtliche 36 Mercedes-Limousinen der E-Klasse erreichten Peking nach einmonatiger Holperfahrt.

Die Fahrer stie?en an die Grenze semantischer Ersch?pfung. "Der weite Weg war nicht das einzige Ziel", kabelte der Kraftfahrt-Korrespondent der "FAZ" ans Heimatblatt und empfahl das chemisch Unm?gliche: Mercedes-Abgas als "Sauerstoffdusche" f?r miefgeplagte Ostmetropolen.

Mercedes-Benz betrieb die touristische Gro?offensive in erster Linie als Werbema?nahme f?r einen Motorentyp, der in Europa inzwischen ann?hernd die H?lfte der Neuzulassungen abdeckt, auf den gro?en Autom?rkten Asiens und Amerikas jedoch kaum K?ufer findet: S?mtliche Testwagen fuhren mit Diesel.

Seit Jahren m?hen sich deutsche Automanager, der sparsamen Dieseltechnik auch auf anderen Kontinenten gr??ere Marktanteile zu erschlie?en - bislang vergebens. In den USA scheiterte der Sparmotor schon an den strengeren Abgasgesetzen, die mit Ru?filtern allein kaum erf?llbar sind.

Denn Dieselmotoren sto?en gegen?ber Benzinern ein Vielfaches an Stickoxiden aus, die den Sommersmog versch?rfen. In Europa, wo der Diesel politisch gef?rdert wird wie nirgendwo sonst, gestatten die Gesetzgeber diesem Motor dreimal h?here Grenzwerte als Benzinern. Auch die f?r 2009 geplante Euro-5-Norm sieht weiter entsprechend lasche Standards vor.

Anders in den USA: Dort zwingen weit strengere Schadstofflimits die Industrie zur gr?ndlichen Probleml?sung: Volkswagen und DaimlerChrysler werden ihre gro?en US-Diesel-Modelle deshalb k?nftig mit einem Harnstoff-Kat ausstatten. Das System tr?gt aus Gr?nden der Verbalhygiene die Bezeichnung "Bluetec".


Die beiden Konzerne wollen sich damit an die Spitze einer Bewegung setzen, die den Amerikaner zum sparsamen Fahren bekehren soll. Und das Marktforschungsunternehmen J. D. Power rechnet diesem Feldzug auch durchaus Erfolgschancen aus: In einer Studie mit dem Titel "Global Outlook for Diesel" prognostizieren die PS-Demoskopen f?r das Jahr 2015 einen Dieselanteil an den Pkw-Neuzulassungen in den USA von ?ber 15 Prozent.

In der Tat k?nnte ein solcher Trend zum Sparauto den Spritdurst Amerikas dramatisch senken. Laut der US-Umweltbeh?rde EPA lie?e sich der gesamte ?limport aus Saudi-Arabien (derzeit fast 90 Milliarden Liter pro Jahr) einsparen, wenn ein Drittel aller US-Pkw Diesel tanken w?rde.

So hoffnungsfroh solche Zahlen auch die europ?ischen Autokonzerne stimmen m?gen, so sehr n?hren sie Sorgen in einem anderen Industriezweig: der Mineral?lwirtschaft. Die sieht sich schon durch den europ?ischen Dieselboom an die Grenze ihrer Elastizit?t gef?hrt. Zwischen ?lfeld und Auto n?mlich gibt es ein wichtiges Bindeglied, dessen technische Zw?nge die Dieselvision?re gemeinhin unber?cksichtigt lassen: die Raffinerie.


Dort wird, je nach Qualit?t des Roh?ls, gew?hnlich nur gut ein Drittel in die sogenannten Mitteldestillate Dieselkraftstoff, Kerosin und leichtes Heiz?l verwandelt. Die steigende Nachfrage hat die Betreiber deutscher Raffinerien gezwungen, diesen Anteil durch technische Tricks sogar auf deutlich ?ber 40 Prozent zu steigern. Doch damit ist die Grenze des wirtschaftlich noch M?glichen praktisch erreicht.

Trotz aller Bem?hungen l?sst sich der enorm gestiegene Dieselbedarf schon lange nicht mehr von den heimischen Raffinerien allein decken. Sieben Millionen Tonnen des Kraftstoffs importieren die EU-Staaten deshalb j?hrlich aus Russland.

Auf der anderen Seite produzieren Europas Raffinerien weit mehr Benzin, als der hiesige Markt braucht. Noch gibt es daf?r dankbare Abnehmer: 19 Millionen Tonnen pro Jahr gehen nach Nordamerika. Doch dieser Abflussweg wird nicht auf Dauer offenstehen: Die ?lkonzerne der USA erweitern derzeit die Kapazit?t ihrer Raffinerien und werden ihre Benzinproduktion deshalb bald deutlich steigern.

Klaus Picard, Chef des Mineral?lwirtschaftsverbands (MWV), sieht bereits ein "ernstes Problem" heraufziehen: In einer Sintflut aus Benzin werden Shell und Co. zunehmend nach Diesel d?rsten.

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