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Staatsversagen im Rußfilterskandal

19 Dezember, 2008

Betroffene Fahrzeughalter sollen vor Gericht die Unwirksamkeit der Rußfilter auf eigene Kosten per Gutachten nachweisen.


Betrugsfilter: Deutsche Umwelthilfe stellt Strafanzeige wegen Haushaltsuntreue gegen Tiefensee
Bundesverkehrsminister paktiert mit den Verursachern des Betrugsfilterskandals - Erste Gerichtsentscheidung: wegen Tiefensees Weigerung zum rückwirkenden Entzug der Betriebserlaubnis von Betrugsfiltern sollen betroffene Fahrzeughalter vor Gericht die Unwirksamkeit der Filter auf eigene Kosten per Gutachten nachweisen - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch: Bundesregierung muss "Staatsversagen im Rußfilterskandal" endlich beenden

19. Dezember 2008: Die Weigerung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), die amtliche Zulassung betrügerischer Dieselpartikelfilter insbesondere des Unternehmens GAT-Katalysatoren rückwirkend zurückzunehmen, macht es den betroffenen Autohaltern fast unmöglich, ihre Ansprüche rechtlich durchzusetzen. Zukünftig müssen sich Fahrzeughalter darauf einstellen, vor Gericht die Mangelhaftigkeit ihres amtlich bereits als unwirksam erklärten Filters nochmals auf eigene Kosten nachweisen zu müssen. Das Amtsgericht Dillenburg verlangt vom klagenden Fahrzeughalter die Vorlage eines ca. 1.500 Euro teuren technischen Gutachtens, obwohl das Kraftfahrtbundesamt diese Autohalter im Mai schriftlich aufgefordert hat, ihre Einbauwerkstätte aufzusuchen und dort den unwirksamen Filter kostenfrei durch ein wirksames System austauschen zu lassen.

Diese Entscheidung eines Gerichts zeigt nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) die verheerenden Folgen der aktuellen rechtswidrigen Entscheidung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, die amtliche Zulassung von unwirksamen Partikelfiltern der Unternehmen GAT, Bosal und Tenneco nicht zu entziehen. "Diese Gerichtsentscheidung ist eine Ohrfeige für die Bundesminister Tiefensee und Gabriel, die für die so genannte 'Kulanzregelung' verantwortlich sind. Umweltminister Gabriel hat sich zwischenzeitlich der Forderung der DUH nach einem rückwirkenden Entzug der Betriebserlaubnis für Betrugsfiltersysteme angeschlossen. Das hierfür zuständige Tiefensee-Ministerium verweigert hingegen den Zulassungsentzug und hat darüber hinaus ausgerechnet mit den Verursachern des Filterskandals einen Deal zu Lasten von über 80 Prozent der betroffenen Autofahrer abgeschlossen", sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Über 35.000 der noch etwa 40.000 betroffenen Fahrzeughalter sollen "bis zum St. Nimmerleinstag weiter auf den nach der so genannten Kulanzregelung verbindlich für 2008 zugesagten ´zügigen und kostenlosen Umtausch mangelhafter Partikelminderungssysteme` warten müssen." Nach Absprachen des Tiefensee-Ministeriums mit den Herstellern der Betrugsfilter, dem Teilehandel und Werkstattvertretern sollen nur die knapp 4.300 betroffenen Autohalter, deren Fahrzeuge eine rote oder gelbe Feinstaubplakette tragen, im Januar 2009 noch einmal vom Kraftfahrtbundesamt angeschrieben werden. Der vergleichsweise kleinen Betroffenenzahl soll - im Gegensatz zu den 35.000 Fahrzeughaltern mit grüner Plakette und einem unwirksamen Filter - ein kostenloses Ersatzsystem und ihren Werkstätten ein Montagezuschuss in Höhe von 49 Euro angeboten werden. Die 35.000 Fahrzeughalter mit Betrugsfilter und grüner Plakette bleiben bei dieser - nach Ansicht der DUH rechtswidrigen - Absprache außen vor.

Mit der neuen Variante der Kulanzregelung, die nun faktisch offiziell die große Mehrzahl der betroffenen Fahrzeughalter von der versprochenen Schadenersatzregelung ausnimmt, erreicht das Staatsversagen in der Betrugsfilteraffäre nach Überzeugung der DUH eine neue Qualität. "Dieses Staatsversagen und die sich hieraus juristisch ergebenden Gerichtsentscheidungen, nun die Betroffenen statt die Verursacher des Skandals in die Pflicht zu nehmen, zwingen uns, nun gegen die juristisch Verantwortlichen im Verkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt juristisch vorzugehen. Mit heutigem Datum haben wir gegen Bundesverkehrsminister Tiefensee Strafanzeige wegen Haushaltsuntreue bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt", erklärte Resch.

Die Strafanzeige stützt sich auf ein Rechtsgutachten des Berliner Anwalts Dr. Remo Klinger im Auftrag der DUH, das die Umweltorganisation vor knapp vier Wochen veröffentlicht hatte (siehe www.duh.de, Pressemitteilung vom 24.11.2008). Danach muss Verkehrsminister Tiefensee die amtliche Zulassung für mangelhafte Dieselpartikelfilter der Firmen GAT, Tenneco und Bosal aus zwingenden rechtlichen und sachlichen Gründen auch rückwirkend zurücknehmen. Andernfalls macht sich der Minister der so genannten "Haushaltsuntreue" schuldig, weil der Staat zehntausende Partikelfiltersysteme steuerlich mit je 330 Euro fördert, obwohl diese die normierte Filterwirkung nachweislich nicht erbringen. Der errechnete Gesamtschaden für den Steuerzahler beläuft sich auf mehr als 13 Millionen Euro.

Resch forderte Tiefensee auf "endlich das Scheitern der Kulanzregelung anzuerkennen und die erforderlichen Schritte einzuleiten, um dem Spuk ein schnelles Ende zu machen".

Aus einem der DUH vorliegenden Vermerk einer vertraulichen Unterredung des Verkehrsministeriums ausgerechnet mit den Verursachern des Betrugsskandals vom 28. November 2008 über eine Modifizierung der gescheiterten Kulanzregelung geht hervor, dass Vertreter des Verkehrsministeriums die Sitzungsteilnehmer eindringlich aufforderten, über den faktischen Ausschluss von 35.000 Fahrzeughaltern mit grünen Feinstaubplaketten Stillschweigen zu bewahren. Unter Hinweis darauf, dass das Bundesumweltministerium nach langem Zögern zuletzt auch (wie die DUH seit Herbst 2007) den rückwirkenden Entzug der Zulassung mangelhafter Filter gefordert hatte, heißt es dort wörtlich: Die Teilnehmer der Besprechung sollten, so eine ausdrückliche Bitte des Vertreters des BMVBS, "jegliche Aussagen gegenüber der Öffentlichkeit, Werkstätten und Fahrzeughaltern zu vermeiden, dass im Rahmen der Kulanzregelung ein Austausch nicht ausreichend funktionsfähiger PMS (Partikelminderungssysteme, DUH) für betroffene Fahrzeuge mit grünen Plaketten dauerhaft nicht mehr erfolge. Etwaige Äußerungen in diese Richtung würden unmittelbar dazu führen, dass die vergangenen Forderungen nach Rücknahme der ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis, DUH) erneut erhoben würden."

DUH

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